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Zur Medienqualität (in eigener Sache)

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„Die niedrigste Form des Daseins“ (D. Trump): der gemeine Journalist (hier: Thorsten Garber). Montage: Carina Harbarth, designplus

Die Qualität von Medien liegt mir am Herzen, seitdem ich in der Branche arbeite. Denn Verbesserungen und Weiterentwicklungen bescheren Freude. Die Lust und die Leidenschaft daran bringen beruflich weiter – nicht zwingend auf der Karriereleiter, aber doch auf vielen Stufen des Wirkens. Und es macht schlicht mehr Spaß sich den Großteil seines Tages auf Niveau mit Arbeit zu beschäftigen als mit Mittelmaß oder Schund, was in der Vermittlung von Inhalten ebenso für Empfänger gelten dürfte. Zumal das Gejammer der Not leidenden Medienwelt groß und der Geist der unappetitlichen Urheber klein ist, die in ihren Stand-by-Hirnen jährlich ein Unwort ausbrüten wie „Peanuts“ (1994), „Humankapital“ (2004), „Lügenpresse“ (2014) oder zuletzt „Volksverräter“ (2016), jüngst von der Jury ausgewählt.
cover-aufmacherBetrachten wir mal abgesehen von der gesellschaftspolitischen Bedeutung den wirtschaftlichen Aspekt: Klar zählt zur Kunst, Nachrichten und Meinungen so aufzubereiten, dass Käufer bereit sind dafür auch Geld auszugeben. Aber was wäre denn die Alternative zu Qualität, bitteschön?! „Es ist in der heutigen Zeit nicht ganz leicht, ein (neues) Zielgruppenmedium als Qualitätsprodukt wirtschaftlich zu betreiben“, las ich jüngst von einem Verleger. Sicher, nur mit dem Fehlen von Güte wird es meines Erachtens noch schwieriger. Eine grundlegende Voraussetzung für die Wertschätzung und für die Umsetzung beispielsweise von gutem Journalismus ist Kompetenz bei Medienmachern und Rezipienten, überhaupt Maßstäbe und Merkmale für Qualität zu (er)kennen, schrieb ich hier schon an anderer Stelle mit Verweis auf die einst erste Diplomarbeit dazu am Institut für Journalistik (IJ) der Technischen Universität Dortmund. Mein ehemaliger Studiengang hat kürzlich „40 Jahre Journalistik“ gewürdigt mit einem „Aufmacher“-Magazin (Cover im Bild). Als Absolvent habe ich mich auf Anfrage daran beteiligt. Im nachfolgenden Beitrag, der hier mit freundlicher Genehmigung der Herausgeber erscheint, geht’s überwiegend um Qualität – trotz Krise:

„In unserer Branche war
immer wieder Krise angesagt“

Thorsten Garber ist Journalist und Absolvent des IJ. Heute arbeitet er unter anderem freiberuflich als Chefredakteur für das Wirtschaftsmagazin „return“.

Interview von Kathrin Wesolowski und Cedrik Pelka

Herr Garber, warum sind Sie Journalist geworden?
Vermutlich, weil mir vor allem die Rolle als Vermittler in führender Funktion gefällt. Den Berufswunsch habe ich schon vor dem Abitur geäußert, aber erst mit 25 Jahren durch den Studienbeginn in die Tat umgesetzt. Relevanten Themen auf den Grund zu gehen und Rechercheergebnisse verständlich zu präsentieren, das halte ich für ein Privileg.

Was für eine Art Journalist sind Sie?
In unserer Bereichsbibliothek stand damals eine Hausarbeit mit dem Titel „Spürhund oder Missionar“. Darin ging es grob um den Vergleich zwischen der recherche-ambitionierten Medienarbeit im anglo-amerikanischen Raum und politisch motiviertem Journalismus mit Wurzeln in der frühen Parteienlandschaft in Deutschland. Im Prinzip kommt die Erstgenannte meinem Berufsbild näher. Gute Recherchen kosten allerdings Zeit und damit Geld, das eingenommen werden muss. Insofern leisten sich allenfalls Qualitätszeitungen wie die SZ so etwas wie ein „Investigativ“-Team.

Ist das ein großes Problem, dass heute oft nicht mehr richtig recherchiert wird?
Ja, aber nicht das Einzige. Denn das Dilemma beginnt, wenn vom Markt aus betrachtet die Wertschätzung und entsprechend die Zahlungsbereitschaft für professionellen Journalismus fehlt. Die Kostenlos-Mentalität durch frei zugänglichen Online-Content und reines Kosten-Denken in Verlagen fördern auch nicht unbedingt, dass Medienmarken auf- und ausgebaut werden können. Leider fehlt vielfach Kompetenz auf Seiten von Kunden und Medienmachern, was Produktgüte bei journalistischen Inhalten ausmacht.

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„Zeitungsente“ ist dieses Bild betitelt. Foto: S. Hofschlaeger/pixelio.de

Gibt es einen harten Konkurrenzkampf in der Branche?
Selbstverständlich. Umso wichtiger ist ein eigenes Profil mit Alleinstellungsmerkmal für jeden Medientitel. An Ideen und an Geduld dafür scheint es zu mangeln. Daher haben viele Verlage mit Schließung und Stellenabbau reagiert. Für den Arbeitsmarkt bedeutete dies mehr Angebot an redaktionellen Arbeitskräften als Nachfrage. Wie ich höre, bewerben sich ehemalige Kollegen mitunter mit 300 anderen Kandidaten. Andererseits zählt zum Kern der Arbeit von professionellen Journalisten, auch für Komplexes mehr Orientierung zu liefern, was heute mehr denn je gefragt sein dürfte. Kurzum: Kompetente Kollegen finden immer Chancen – wenn nicht im Journalismus, dann in der Kommunikation für Unternehmen. Oder beides. Spätestens seit ich das Journalistik-Studium beendet habe, war in unserer Branche nach meiner persönlichen Erfahrung zwar immer wieder Krise angesagt, trotzdem haben Absolventen durchaus Karriere gemacht oder die Möglichkeiten des Marktes genutzt.

Wie haben Sie Krisen bis jetzt erlebt?
Ich würde eher von Brüchen sprechen, auf die es flexibel zu reagieren galt. Nach meinem Studium gab es bei den Ruhr Nachrichten, bei denen ich volontiert hatte, keine freie Redakteursstelle. Also war ich erst Springer in den Lokalredaktionen und habe nach einem halben Jahr bei der Cubis AG als Alleinredakteur für das Mitarbeitermagazin angeheuert, das nach meinem Weggang eingestellt wurde. Ich hatte vorher das Angebot erhalten, als Tageszeitungsredakteur bei der WAZ/WR in Lünen einzusteigen und bin dort nach vier Jahren vom LPV Verlag in Neuwied als Korrespondent Rhein/Ruhr für den neuen Lebensmittel-Branchendienst „Food Economy“ abgeworben worden. Die Aufbauphase fiel kürzer aus als zugesagt – nach nur einem Jahr griff ein Sozialplan für die gesamte Redaktion. Danach gestalteten sich die fünf Jahre als Freiberufler aber auch ganz erfolgreich, bis mir die Redaktion der „absatzwirtschaft“ eine Festanstellung offerierte. Diese sechs Jahre im Wirtschaftsjournalismus habe ich gut zur weiteren Entfaltung genutzt, bis sich die Verlagsgruppe Handelsblatt erneut für einen Sozialplan und ich mich gegen einen Betriebsübergang entschied.

Wie ging es weiter?
Ich habe wieder bewusst auf meine Selbstständigkeit gesetzt, aber diesmal mit dem Schwerpunkt auf Kommunikation für mittelständische Unternehmen. Hier betreue ich heute fünf Kunden und akquiriere weitere Firmen. Als ich jedoch im Februar 2015 gefragt wurde, ob ich als Chefredakteur das Magazin „return“ verantwortlich führen möchte, konnte ich nicht Nein sagen. Unsere Inhalte rund um vorbildliche Unternehmensführung zur Vorbeugung und zur Bewältigung von Krisen sind interessant, relevant und gibt es in dieser Form noch nicht. Beste Voraussetzungen mit Perspektive. Trotzdem arbeite ich weiterhin in strikter Trennung dazu für Mittelständler.

Was ist an der „normalen“ PR schädlich?
„Normal“ bedeutet für mich, was in der Praxis sich als üblich und marktgängig wie eine Seuche verbreitet hat. Der Grauzone zwischen dieser Form von PR und den Medien habe ich meine letzte Titelstory in „absatzwirtschaft“ gewidmet. Tenor: Firmen hofieren gezielt Journalisten, um positive Berichte zu erwirken. Das klingt nach Korruption, ist aber nicht strafbar. Nach meinen Recherchen zum starken Schaden der Glaubwürdigkeit unserer Branche.

„Qualität, die Verlage
als Maßstab anlegen sollten“

Wieso legen Sie dann den Schwerpunkt auf Unternehmenskommunikation statt Journalismus?
Weil ich in dieser Mischung meine Brötchen besser verdienen kann. Und inhaltlich zeigen die Inhaber der Unternehmen, die ich betreue, eine große Offenheit. Mitunter sind diese Mittelständler sogar deutlich moderner, was Medienangebote angeht oder auch Personalführung als mancher Verlag. Unbestritten entsteht heute in Corporate Publishing oft sogar Qualität, die Verlage auch für ihre eigenen Medien als Maßstab anlegen sollten.

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„Der Verleger“ heißt dieses Bild. Foto: S. Hofschlaeger/pixelio.de

Gibt es für reine Journalisten weniger Möglichkeiten?
Die Studienergebnisse über freie Journalisten und ihre im Schnitt schlechte Einkommenssituation sind bekannt, aber Profis sind in der Regel gut im Geschäft. Für festangestellte Redakteure gilt nach meiner Beobachtung, dass die Arbeitsdichte zunimmt und die Arbeitsbedingungen kaum besser werden. Kollegen sind nicht zu beneiden, wenn sie parallel den Liveticker bedienen, Online-News produzieren, die Printausgaben füllen und noch Veranstaltungen moderieren. Terminjournalismus ist daher oft ein Reflex. Ich sage aber auch: Gut ausgebildete Journalisten holen auch unter schwierigen Bedingungen das Optimum heraus. Dass es geht, hat mir die Zusammenarbeit mit qualifizierten Kollegen bewiesen.

Wie sehen Sie die Rolle von freien Mitarbeitern?
Hier gilt dies ebenso: Die Spreu vom Weizen trennt sich über Qualifizierung, Professionalisierung, Spezialisierung. Und Impulse von außen, was ich betone, weil etwa im Lokalen doch viel im eigenen Saft agiert wird. Ich würde mir wünschen, dass mehr Kreativität und Eigenrecherche gefördert werden. Das betrachte ich im Rückblick als maßgeblichen Vorteil der Journalisten-Ausbildung an der TU Dortmund: Kompetenz durch konzeptionelles Denken, redaktionelle Vielfalt und ethische Werte. Beste Voraussetzungen für überzeugende und glaubwürdige Arbeit.

Wie schafft man es, nicht nur erfahrene Kollegen nachzuahmen?
Dafür bedarf es des nötigen Freiraums, dessen Rahmen die Werte für gute Berichterstattung und das zulässige Spektrum der freien Meinungsäußerung bilden. Das Gespür und das Wissen um relevante Themen, auf die nicht jede andere Redaktion auch kommt, zählen zu den Voraussetzungen. Ebenso wie Sorgfalt und Vielfalt bei der Recherche oder die Trennung von Nachricht und Kommentar sowie die professionelle Präsentation – übrigens auch mit möglichst geringer Text-Bild-Schere. Mit Aha-Effekt für die Leser.

Woran liegt das?
Ich vermisse die Forschungs- und Entwicklungsabteilungen in Verlagen, so wie es in Unternehmen anderer Branchen selbstverständlich ist, um Innovationen hervorzubringen. Restrukturierungen nur mit dem Anspruch, Kosten zu senken, führt schließlich selten dazu, dass zukunftsfähige neue Produkte, Services und Geschäftsmodelle entstehen. Wobei ich uns Journalisten auch ins Stammbuch schreibe, die Wirtschaftlichkeit mehr im Blick zu behalten. Echter Unternehmergeist ist meines Erachtens wesentlich, um die Branchen aus der Krise zu führen.

Warum haben Sie trotz allem immer weitergemacht?
Weil ich an Qualität glaube. Denn Qualität setzt sich langfristig durch. Meine Botschaft auch an den journalistischen Nachwuchs lautet deshalb: Bleibt leidenschaftlich, stets exzellent aus- beziehungsweise fortgebildet und agiert professionell –, dann setzt Ihr Euch auch durch!

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Medienlandschaft: Das Bild zeigt den „Medienhafen“ mit Rheinturm in Düsseldoof. Foto: Niko Korte/pixelio.de

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